Zuschauerbrief an RTL vom Januar 1997

Nach dem Genuß der Folge "Blutige Verbindung", Ihrer Serie "SK-Babies", möchte ich Ihnen ein paar Worte (ins Redakteursgebetbuch) schreiben. Abgesehen von dem Umstand, daß es sicherlich legitim, wenn nicht sogar erwünscht ist, der Dramaturgie wegen mit Überzeichnugnen zu arbeiten, so war diese Folge für alle Verbindungen ein Schlag ins Gesicht; eine Mixtur aus Böswilligkeit, Inkompetenz und schlechter Recherche, vielleicht sogar gewollter Desinformation!

Es gibt sehr viele unterschiedliche Verbindungsarten, dazu zählen Burschenschaft, sportlich orientierte Verbindungen, Landsmannschaft, konfessionell ausgerichtete Bünde und Corps. Einem solchen Corps in Marburg gehöre ich an und mußte an einigen Stellen der Folge schmunzeln, zumeist aber kam mir die vielzitierte Galle hoch.

Der Beginn war schon eine Frechheit, eine Fechtszene, wie sie jeder drittklassigen Theateraufführung zur Ehre gereichen würde, dann ein brutaler Mord mit einem Mensurschläger. Gegenchronologisch gesehen: Die Klimax eines Eifersuchtsdramas, doch eines, bei dem eben studentische Fechtwaffen genutzt wurden. Unweigerlich mußte ich daran denken, daß solche Meinungsverschiedenheiten auch unter Goldschmieden, Eishockeyspielern und Dachdeckern vorkommen könnten und diese sich dann mit Lötkolben, Eishockeyschlägern und Hämmern traktierten würden, ggf. bis zum gleichen Ergebnis der Serie, einer schweren Verletzung. Nun aber geht es darum, mit den eh ach so bösen Burschenschaftern (hier: Synonym für alle Verbindungsstudenten) Einschaltquoten zu erhaschen und fernab der Universitätsstädte, in denen Verbindungen von denen, die sich Toleranz auf die Fahne schrieben bis auf Blut bekämpft werden, darzustellen, was für heuchlerische, Halstuch tragende, ewiggestige Säufer Verbindungsstudenten doch sind!

Die Antwort des Arztes in der Krankenhauszene, "was weiß ich denn wo noch gefochten wird", impliziert, daß es sich hier um antiquierte Duelle von weltfremden Spinnern handelt. Duelle und Ehrenhändel gibt es seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr und Mensuren, d.h. Bestimmungsmensuren in denen gleichwertige Gegenpaukanten ausgesucht werden, praktizieren nicht nur Burschenschaften, sondern auch die oben erwähnten Corps und Landsmannschaften.

Dann wird es heiter, einer der Protagonisten erwähnt freudestrahlend, er habe einen brillianten Tip zur Aufklärung des Verbrechens, "es gäbe dort die Burschenschaft Teunonia, die einzige Burschenschaft, die noch einen intakten Paukboden in Köln unterhält". Für den Fortgang des Krimis und um in 60 Minuten den Täter dingfest zu machen gut gelöst, nichtsdestotrotz gibt es vier Corps und einige Landsmannschaften in Köln, alle pflichtschlagend, d.h. alle halten täglich Fechtübungen ab, um das Risiko von Verletzungen (=Schmisse) beim Fechten einer Mensur zu minimieren. Eine Paukstunde wird auf dem sog. Paukboden abgehalten, dies kann ein normaler Raum sein, aber auch in einer Turnhalle oder im Freien geschehen. Dann soll der undercover-Agent in die Burschenschaft geschmuggelt werden, ist ein, zwei Stunden da und wird direkt aufgenommen. Obwohl viele Verbindungen mit Nachwuchssorgen zu kämpfen haben (was nach einer solch verzerrenden Ausstrahlung nicht verwunderlich ist), so tastet man sich erstmal gegenseitig ab und nimmt nicht jeden auf, der an der Haustür klopft, einer Haustür, von der ein Schauspieler ja meinte: "Es riecht nach Knete!"

Gottseidank wurde kein Klischee ausgelassen! Verbindungsstudenten sind alles reiche, verzogene Geldsäcke - und wenn sie nicht betucht sind, so lassen sie sich von ihren Alten Herren aushalten. Diese Meinung wird über den Äther verbreitet, jeder der möchte kann sich vor Ort vom Gegenteil überzeugen. Als dann schlußgefolgert wurde, das es sich um einen "Mord in der Teutonia" handelte, mußte der Maulwurf der SK-Babies mit Immatrikulationsbescheinigungen versorgt werden, dies wurde via Telephonat gelöst: Ein Professor erklärte sich bereit, die Papiere für einen Erstsemester auszustellen. Nicht nur das solch etwas hanebüchenes selten behauptet wurde, eine Nachfrage bei Ihren Aushilfskräften und Kabelträgern hätte Ihnen klargemacht, das außer Studentensekretariaten NIEMAND "Papiere für Erstsemester" ausstellt. Dann wird aber weiter in die "Alle-sind-deutsch-spießig-und-rechts"-Kiste gegriffen; Blick des neuen Fuchsen (SK-Baby) auf einen Sinnspruch über der Tür, "Immer Treu und Redlichkeit", eine Schrecksekunde des Verharrens, dann angewidertes Kopfschütteln. Stimmungsmache in einer Manier, in der man die Vergleiche, die sich aufdrängen nicht ziehen möchte. Dann, zur Gemütsberuhigung für mich, ein Faux-pas, wie er größer nicht denkbar ist: Der undercover Ermittler sucht nach Spuren, die ihn auf die Fährte des Verbrechens bringen könnten und findet auf einem Schreibtisch im Zimmer seines späteren Leibburschen eine Packung Filterzigaretten, angebrochen. Ich kann Ihnen aus langjähriger Erfahrung versichern, daß auf einem Verbindungshaus NIE unbeaufsichtigt Zigaretten herumliegen. Und sollte dies 'mal der Fall sein, so sind sie innerhalb von fünf Minuten weggeraucht. Noch leidlich amüsiert über diese Szene, verdunkelt sich die Stimmung nach dem Rapport des verkaterten (Verbindungsstudenten saufen wie die Löcher!!!!) Ermittlers, der mit Kopfschmerzen über sein Weiterkommen feststellt, bei Kommersen sängen die Teutonen, "immer so dreckige Lieder". Abgesehen davon, daß dies eine Meinung ist, die man teilen kann oder nicht, möchte ich sie mal bitten, in ein Kommersbuch zu schauen, anrüchiges fand ich bis dato nicht darin, weder in politischer noch unterleibslastiger Hinsicht!

Nach Lebensweisheiten á la "Wer Geld hat, hat immer Feinde", berichtet der undercover-Mann, wiederum verkatert, vom Fortgang seiner Ermittlungen. Ein weiteres Mal bekommt der unbeleckte Zuschauer den Eindruck, es werde in Verbindungskreisen jeden Tag bis zum Verlust der Muttersprache gesoffen. Mir stellt sich die Frage, wie meine Corpsbrüder dann zu solch guten, zumeist überdurchschnittlichen, universitären Ergebnissen und Abschlüssen gelangen?!

Dann wird es wirr bis surrealistisch, neben dem Vermischen der Bedeutung von Wechsel und Schuldschein kommt heraus, warum es zu dem Totschlag kam: Die Exfreundin eines Bundesbruders sollte aufgrund seiner Schulden für einen anderen Bundesbruder auf den Strich gehen! Wenn es nicht so empörend wär' könnte man fast lachen, doch ist Prostituion in diesem Umfeld undenkbar, doch setzt sich für den Nichtkenner der Korporationsszene alles Steinchen für Steinchen zusammen! Grölende, bornierte Deutschtümler, die jeden Tag saufen und sich Huren auf dem Haus halten. Das ist das Zeichnen eines Endzeitszenarios, das Ihnen aber am Ende auch noch von einigen Zuschauern abgekauft wird. Denn nicht die Aufklärung des Falles oder das zentrale Thema der meisten Filme, Eifersucht, wird dargestellt, sondern dem Ottonormalverbraucher soll gezeigt werden, das Verbindungen eine Ansammlung junger, bigotter Snobs sind. Das dann am Ende die "Ehre" daringehend bemüht wurde, das um die betreffende Dame gefochten wurde, setzt dem ganzen polemischen Unsinn noch die Krone auf.

Abschließend möchte ich noch bemerken, daß Corps seit über zweihundert Jahren bestehen, wir im Gegensatz zu Burschenschaften nach außen hin nicht politisch auftreten, und die Religion und Nationalität unserer Mitglieder völlig unerheblich ist, so daß sich meine kurdischen, türkischen und indischstämmigen Corpsbrüder genauso über diese Ausstrahlung geärgert haben wie ich. Und unsere Freundinnen, um die wir nicht fechten und auch nicht pokern, teilen diesen Zorn.

 

Heiko Schomberg